Kennzeichnung von geschützten Arten

Aufgrund des Washingtoner-Artenschutzabkommen ist für geschützte Tierarten eine eindeutige Dokumentation notwendig bzw. vorgeschrieben.
Dieser Nachweis kann teilweise mittels Fotodokumentation geführt werden oder aber auch mit einem Chip. Allerdings birgt die Implantation eines Chips ein gewisses Risiko welches in der Arbeit des Arbeitskreis 8 der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. aufgezeigt wird. In dieser Arbeit geht es zwar hauptsächlich um Schildkrötenarten doch die Probleme gelten für andere Reptilien in gleichermaßen.
An dieser Stelle vielen Dank an Fr. Dr. Blahak für die freundliche Erlaubnis diese Arbeit veröffentlichen zu dürfen.


Stellungnahme zum Einsatz der neuen „Mini“-Transponder
siehe auch Pressemitteilung des BNA vom 18.07.2011

Die eindeutige Identifikation von europäischen Landschildkröten ist aus Gründen des Artenschutzes notwendig. Die Arten Testudo hermanni, Testudo graeca und Testudo marginata stehen auf Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommen, da sie in ihrem wildlebenden Bestand stark gefährdet und vom Aussterben bedroht sind; Wildfänge dürfen daher nicht gehandelt werden. Um die Herkunft der in der Heimtierhaltung gehaltenen Schildkröten sicher nachweisen zu können, sind deshalb CITES-Papiere und eine Identifikation der zu diesen Papieren gehörenden Schildkröte notwendig.

Die Identifikation kann über das Einsetzen eines Transponders erfolgen, wie es auch bei Säugetieren durchgeführt wird. Allerdings gibt es bei Schildkröten einige Besonderheiten, die von Säugetieren abweichen. Die Größe der Tiere und die deutlich geringere Muskelmasse limitieren den Einsatz eines Transponders. Aus diesem Grund wurde seinerzeit ein Mindestgewicht von 500g für Schildkröten und 200 g für Schlangen und Echsen festgelegt.

 

Das in der Bundesartenschutzverordnung benannte Grenzgewicht von 500 g basiert auf einem Gutachten vom 25.02.1997, dass von einer vom BML in Abstimmung mit dem BMU eingesetzten Expertengruppe erstellt wurde.

Die Gewichtsgrenze ergibt sich aus dem Verhältnis Tiergröße bzw. zur Implantation zur Verfügung stehenden Gewebes und der Größe des Transponders. Dabei wurde grundsätzlich von einer Implantation in die Muskulatur ausgegangen, da die Implantation in das subkutane Bindegewebe zu unsicher ist. Reptilienhaut weist ein stark verhorntes Epithel auf, das nur durch ein wenig strukturiertes und blutgefäßarmes Unterhautgewebe mit Muskeln und Faszien verbunden ist. In diesem lockeren Gewebe kann ein Transponder leicht wandern und Verletzungen verursachen oder auch bewusst wieder ertastet und entfernt werden (Baur et al. 2001), weshalb diese Applikationsart nicht empfohlen wird. So fand sich z.B. bei einer 3kg schweren Testudo hermanni boettgeri der Transponder seitlich am Schwanz wieder, wo er zu einem Teil bereits aus der Haut herausstach, ein Teil saß noch in der Subcutis (pers. Mitteilung Frau Dr. Bernack). Eine Hautverletzung, wie sie die Implantationsstelle darstellt, schließt sich nicht so schnell und verklebt wesentlich schlechter als beim Säugetier (Gal, 2006, Baur et al. 2001). Deshalb muss, um einen Verlust des Transponders und eine Infektion zu verhindern, die Hautverletzung durch eine kleine Naht verschlossen werden. Diese Naht muss nach Empfehlung der Expertengruppe in Narkose erfolgen (Gutachten Expertengruppe 1997, Baur et al. 2001). Der Transponder löst durch seine Ummantelung gewollt eine sterile entzündliche Gewebsreaktion aus, die dazu führt, dass um ihn herum eine Bindegewebszubildung entsteht, durch die er im Gewebe sozusagen verankert wird.

 

Bei Tieren mit einem Gewicht unter 500 g ist auf Grund der Größenverhältnisse Transponder / umliegendes Gewebe die Wahrscheinlichkeit eine Komplikation während der Implantation oder anschließend durch das Wandern des Transponders im Vergleich zu größeren Tieren deutlich erhöht. Bei der Implantation besteht die Gefahr, Nerven und Venen im Bereich der dorsalen (vorderen) Fläche des Oberschenkels zu verletzen, woraus starke Blutungen oder Lähmungserscheinungen resultieren können. Das führt zu Schmerzen und eingeschränkter Bewegung des Beines über Tage (Blutungen) bis Wochen und Monate (Nervenverletzungen). Seltener dürften Verletzungen der Kniegelenkskapsel oder des Hüftgelenkes vorkommen. Das lockere Unterhautgewebe bei Schildkröten begünstigt die Wanderung des Transponders, vor allem, wenn wie hier ein verhältnismäßig großer Fremdkörper eingesetzt wird.

 

Bei kleinen Tieren ist die Gefahr größer, dass im Zuge der Implantation der Transponder versehentlich direkt in die Bauchhöhle oder in die Blase gesetzt wird. In der Blase wirkt der Transponder als Kristallisationspunkt für die Harnsäure im Harn der Schildkröte und kann zur Bildung von Blasensteinen führen. Während bei größeren Tieren eine Ausscheidung des Transponders über die Harnröhre und die Kloake erfolgen kann, ist dies bei kleinen Tieren aufgrund der Größenverhältnisse nicht möglich. Gelangt der Transponder direkt in die Bauchhöhle, kann er hier zu Verklebungen von Darmschlingen und Entzündungen des Bauchfells führen. Eine Ausscheidung über die Eileiter, die bei größeren eiablagefähigen Weibchen (Gewicht in der Regel deutlich über 500 g) vorkommen kann, ist natürlich bei jungen Tieren nicht möglich, der Transponder kann also nicht aus der Bauchhöhle entfernt werden. Bei zu tiefer Insertion des Trokars können ferner Darmschlingen, vor allem wenn sie aufgegast sind, verletzt werden, was ebenfalls bei kleinen Tieren leichter geschehen kann (zu diesen Komplikationen siehe auch Kölle et al. 2001, Gal 2006). Deshalb wird übereinstimmend eine Gewichtsgrenze von über 400g bzw. 500 g gefordert (Gutachten Expertengruppe, Baur et al. 2001, Eggenschwiler 2000).

 

Der „Mini“-Transponder ist lediglich 3 mm kürzer und 0,8 mm schmaler als der zuvor verwendete Transponder. Auch damit ist er im Vergleich zur Muskelmasse an den Gliedmaßen einer Schildkröte noch sehr groß. Eine Absenkung des Mindestgewichtes, wie in der Pressemitteilung vorgeschlagen, ist aus unserer Sicht daraus nicht abzuleiten. Der vorgeschlagene Grenzwert von 200g bedeutet eine Reduktion des zulässigen Mindestgewichtes um mehr als die Hälfte, wohingegen der Transponder lediglich um ca. ein Drittel kleiner ist. Damit verschärft sich das Problem der Transponderimplantation bei den Schildkröten deutlich und die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen und Verletzungen steigt stark an.

 

Andere EU-Länder und Drittländer erkennen die in Deutschland übliche Fotodokumentation oft nicht an, weshalb größere Tiere zum Verkauf gechipt werden müssen. Die Nachweiserbringung für Verkäufe von Schildkröten in andere EU- oder Drittländer wird mit einer Transponderimplantation für Tiere ab 200g allerdings auch nicht gelöst, denn es werden oft Jungtiere verkauft, die deutlich weniger wiegen. Diese Frage betrifft ohnehin nur einen kleinen Teil der Halter; der weitaus überwiegende Teil hält die Tiere nur zum eigenen Vergnügen und gibt eventuelle Nachzuchten innerhalb Deutschlands ab.

 

Die Arbeit von Frau Carolin Bender zu Möglichkeiten der Fotodokumentation bei geschützten Reptilienarten belegt eine eindeutige Identifizierbarkeit von Schildkröten und anderen geschützten Arten und stellte damit die Grundlage für die Aufnahme der Fotodokumentation als Alternative zur Identifikation von Schildkröten in die Bundesartenschutzverordnung dar. Aufgrund der oben beschriebenen Problematik der Transponderimplantation wird in der Regel die Fotodokumentation bereits seit Jahren verwendet und hat sich bewährt. Damit liegt kein Grund vor, dem Tier vermeidbare Schmerzen, Leiden und Schäden zuzufügen.

 

Aus unserer Sicht ist die Transponderimplantation auch unter Verwendung des „Mini“-Transponders für die Tiere eine vermeidbare, mit Schmerzen verbundene Beeinträchtigung, die aus Tierschutzgründen möglichst nicht verwendet werden sollte. Von daher raten wir vom Einsatz des Transponders bei Tieren unterhalb der bisherigen Gewichtsgrenzen nachdrücklich ab.

 

Wir begrüßen die Markteinführung von sogenannten „Mini“-Transpondern, die unter Beibehaltung der bisherigen Gewichtsgrenzen einen maßgeblichen Beitrag zum Tierschutz leisten.

 

 

Persönliche Stellungnahme des Fachbeirates der AG ARK

Dr. Silvia Blahak, Dr. Birgit Rüschoff, Hermann Kempf, Kornelis Biron

 

Dr. Silvia Blahak

Tierschutzbeauftragte der DGHT

Arbeitskreis 8 der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V.

 

Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Zootier-, Wildtier- und Exotenmedizin

Dr. Wolfram Rietschel, Hermann Kempf, Sabine Öfner

 

 

Literatur:

M. Baur, Prof. Dr. R. Hoffmann, Dr. P. Kölle, Dr. S. Blahak, Dr. S von Hegel (2001):

Kennzeichnung Reptilien des Anhangs A mittels Transponder aus fachtierärztlicher Sicht, Radiata 10(1), 15-19

 

Dr. P. Kölle, M. Baur, Prof. Dr. R. Hoffmann, Dr. S. Blahak, Dr. G. von Hegel und D. Rössel (2001):

Tierärztliche und rechtliche Fragen der artenschutzrechtlichen Kennzeichnung von „Anhang A“-Reptilien mittels Transponder, Amtstierärztlicher Dienst, 216-218

 

J. Gal (2006):

Complications of microchip implantation in tortoises, Emys, 13(4), 6.11

 

Dr. u. Eggenschwiler (2000):

Die Schildkröte in der tierärztlichen Praxis